Was ist so besonders an den Rauhnächten?

Inhalt

Rauchnächte, Raunächte, Glöckelnächte, Weihenächte oder die Zwölfe: Das sind besondere Nächte und weise Nächte in der Winterzeit. Es gibt verschiedene Überlieferungen und Traditionen, doch meist werden sie in der Zeit von Weihnachten bis zum Dreikönigstag begangen. In diesen 12 Nächten geht es um Brauchtum, Magie und Mystik. Es ist eine Zeit der wilden Jagd, der Geister und der Seelen. Auch der Aberglaube kommt nicht zu kurz. Doch was hat es mit den Zwölfen auf sich?

Der Ursprung

Die Menschheit hat sich schon immer mit den Naturkräften und den kosmischen Abläufen beschäftig. Unsere Ahnen waren eng mit den Zyklen der Natur verbunden, da es ihnen das Überleben sicherte. Zu alten Zeiten gab es keine der Bequemlichkeiten, an die wir uns so gewöhnt haben. Nicht die Heizung im Winter, nicht die Wasserversorgung im Haus. Leben und Vergehen, Helligkeit und Dunkelheit, Werden und Sein – der Zyklus der großen Mutter und der Himmel mit seinen Kräften, mit den Bewegungen von Sonne, Mond und Sternen: Sie gaben den Rhythmus vor. Daraus entstanden die unterschiedlichen Kalender. Die Zeit wurde messbar und das Leben verlief in neuen Strukturen.

Die ältesten Kalender stammen aus der Altsteinzeit, sie orientierten sich am Mond. Das war eine Zeit, in der die Menschen noch nicht sesshaft waren. Die Ereignisse wurden in Knochen und Steinen verewigt. Ein Monats-Mondzyklus begann mit dem ersten Tag nach Neumond und dauerte 29,53 Tage. Mit der Sesshaftigkeit wurden Kalender entwickelt, die sich auf die Vegetation und den Lauf der Sonne bezogen. Der Zeitmessung dienten jetzt kreisförmige Kultbauten. Der Sonnenlauf wurde datiert und bestimmte Konstellationen wurden berechnet. Daraus entstand der lunisolare Kalender. Die Germanen berechneten ihr Sonnenjahr von Wintersonnenwende zu Wintersonnenwende. Aber ein Mondjahr bestand aus 354 Tagen und das Sonnenjahr zählte 365 Tage. So ergab sich eine Differenz von 11 Tagen und 12 Nächten. Diese 12 Nächte sind heute als Raunächte bekannt, entstanden aus der Differenz zwischen dem Mond- und dem Sonnenjahr.

Mit Julius Cäsar setzte sich 45 vor Christus der reine Sonnenkalender durch, der das Jahr in 12 Monate unterteilte.  Dieser Kalender war völlig unabhängig von den Mondphasen. Manche Feste erhielten ein gleichbleibendes Datum, andere waren durchaus beweglich und bezogen den Vollmond mit ein. Mit dieser Zeitrechnung wurde das Jahr in vier Teile geteilt – es entstanden Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Zu ganz alten Zeiten gab es nur zwei Jahreshälften: den Sommer und den Winter. 1582 wurde der julianische von dem noch heute gültigen gregorianischen Kalender abgelöst.

Magie des Winters und des Übergangs nutzen

Die Winterzeit war schon immer eine magische Zeit. Die Nebelschwaden und die Nässe des Novembers werden von den klaren, kalten Tagen des Dezembers abgelöst. Mit dem Schnee, der alles verhüllt, mit den Winden, die der wilden Jagd zugeordnet wurden. Die wilde Jagd wird im Norden Deutschlands vom wilden Jäger, dem Wode angeführt. Er braust mit seinem Gefolge durch die Lüfte und dringt in die Häuser ein, die nicht gut verschlossen sind. Zu der Zeit beginnen die Tiere zu sprechen; vor fremden Tieren ist Vorsicht geboten. Wer weiß, wer es ist und was er im Schilde führt. Ist es gar eine Hexe? Zwerge kommen zu Besuch und möchten bewirtet werden.

Aberglaube? Nicht nur. In unserem Kulturraum war die Zeit der Wintersonnenwende die Wiedergeburt des Lichtes. Der Sonnengott Baldur wurde wiedergeboren, mitten im Winter, wo die Kälte und die stürmischen Winde erst aufkamen und die kalte Zeit so richtig begann. Die Säfte der Natur haben sich tief ins Innere der Erde zurückgezogen, erst mit Beginn der Wintersonnenwende werden sie geweckt und finden allmählich den Weg wieder nach oben. Langsam, nicht schnell. In diese Zeit fällt auch die Heilige Nacht – die Geburt Christi, des Lichtbringers zu Weihnachten. Die dunkelste Zeit des Jahres ist zugleich die Zeit der Hoffnung: In der vorchristlichen Epoche feierte man den kürzesten Tag des Jahres, denn danach waren die langen Nächte überwunden. Die Sonne, das Licht kehrt auf die Erde zurück. Die Dunkelheit ist vom Licht besiegt.

Zeit von 25.12. bis 6.01.

Das alles gibt der Zeit der Raunächte zwischen 25. Dezember und 6. Januar ihre Bedeutung. Es ist die Zeit des Dankens.

Erinnern, ehren, aber auch verabschieden, zurücklassen. Stille, Einkehr, besinnen.

„Raunächte“ wegen der Ungemütlichkeit im Außen. Rauchnächte, weil viel geräuchert wurde, jedes Haus und jeder Stall wurde gereinigt. Der Rauchbrauch war sehr beliebt. Die Energien des alten Jahres wurden aufgelöst und transformiert. Man wusste, welches Kraut sich für welchen Zweck eignete.

Diese Tage lagen außerhalb der Zeit und galten als mystisch. Gesetze waren aufgehoben. Die Tore zur Anderswelt waren offen. So  war auch Achtsamkeit geboten. Nicht nur gutgesinnte Geister, auch Gesindel war unterwegs. Sie zogen umher und nahmen so manch kranke und alte Seele mit. Wegkreuzungen wurden gemieden. Die Vorstellung von der Nacht war nicht so, wie wir sie heute kennen. Nacht war, sobald es dunkel wurde. Es gab kein Licht, mit der die Nacht zum Tag gemacht werden konnte.

Meine Oma sagte immer: „Zwischen den Jahren stehen die Räder still.“ Wir sollten keine Kleidung waschen. So manches Brauchtum ist bis heute überliefert und wird besonders in den ländlichen Regionen und in den Bergen noch gepflegt.

3 Fragen

Zwischen den Zwölfen findet der Jahreswechsel statt. Wir beschäftigen uns mit den Fragen „Was wird kommen?“, „Was möchte ich?“, „Wie wird mein Schicksal sein?“. Die Schleier zur Anderswelt sind dünn. Es ist die Zeit der Magie, des Orakels. Es gibt viele Überlieferungen und Geschichten dazu. Eine besagt, dass die Nornen, die Schicksalsweberinnen, die Fäden für das neue Jahr weben. Früher wurden die Zeichen der Natur noch stärker gedeutet. Träumen und Begegnungen wurde Aufmerksamkeit geschenkt. Was bedeuten sie? Man befragte das Schafgarbenorakel, praktizierte das Bleigießen, später das Kartenlegen. Die Menschen hatten und haben Hoffnungen und Wünsche, daher das Orakeln. Und ist es nicht auch schön, einen Wink zu bekommen, vielleicht sogar Einfluss zu nehmen?

Märchen, Sagen, Geschichten. Was macht diese Zeit so besonders? Sie ist nicht fernab. Sie ist auch jetzt erleb- und erfahrbar. Mit den Liebsten zusammen sein. Ausruhen. Danken. Zurückschauen, wie war mein Jahr? Besinnen. Was brauche und möchte ich? In die eigene Tiefe gehen und sich selbst spüren. Duft in den Räumen verströmen. Zeit für sich haben. Die Raunächte bewusst zu begehen, bringt die Magie zurück in den Alltag; und warum nicht einmal einen Blick in die Zukunft wagen? Gerade an der Schwelle zum neuen Jahr – Wer weiß, welcher Wink des Schicksals sich zeigt.

Petra Hinze

TIPP: Petra Hinze veranstaltet jedes Jahr ein Retreat zu den Rauhnächten. Im Jahr 2020 findet es erstmals online via Zoom statt. Hier bekommst du alle Infos.

 

Dieser Artikel ist in der Omnia Nr. 8 erschienen.
In den Rauhnächten wird ein Innehalten und NACH INNEN SCHAUEN ganz besonders reich belohnt …

 

Möchtest du diesen Artikel teilen?
Klicke einfach auf eines der unten stehenden Icons.
Schön, dass es dich gibt!

 

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert