Wo schauen wir nicht hin?

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Was sind die häufigsten Todesursachen in unserer Gesellschaft und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?

Dr. Ruediger Dahlke schreibt über die Schatten die uns krank machen, weil wir sie nicht sehen wollen.

 

Als Arzt bin ich ständig mit Schatten geschlagen, letztlich ist er mein Thema, denn in Krankheitsbildern kommt er ebenso zum Ausdruck wie in Problemen. Nach C. G. Jung gehört alles Unbewusste und Abgelehnte, damit auch unbewusst Schönes und Lichtes wie ungelebte Freude, Ekstase und Lust zum Schatten. Aus diesem Grund umfasst er die ganze Welt der Beratung und Therapie. Diese beiden Themen haben auch mich und mein Leben geprägt. Patienten kommen praktisch nie zum Arzt, wenn es ihnen so richtig gut geht und sie mit allem einverstanden sind in ihrem Leben. Ganz im Gegenteil suchen sie Hilfe, wenn sie sich in Widerstände verstrickt haben. In jedem Widerstand aber offenbart sich Schatten.

Ob dunkler oder lichter Schatten, er ist uns immer unbewusst.

In beiden Fällen bindet er Energie und ist so unsere größte und ergiebigste Energie- und Kraftquelle. Dass sie mitten in uns liegt, sozusagen im eigenen Keller, hat Paulo Coelho in „Der Alchemist“ poetisch verarbeitet. Es kann also Freude machen, diese Energie im Schatten zu entdecken und zu befreien.

Finden lässt sich Schatten praktisch überall: in Symptomen und Problemen, auch in Fehlleistungen, in Witzen, über die wir lachen und in jenen, über die wir nicht lachen können, in Filmen, die wir mögen und in solchen, die wir ablehnen. Er zeigt sich auch im Beruf sehr deutlich, da er ebenfalls immer eine Schattenseite hat. Insofern ist „Schattenarbeit“ im wahrsten Sinne des Wortes anmachend, das heißt aktivierend und wirkt dabei noch bewusstseinserweiternd.

Nach C. G. Jung gilt: Selbst = Ich + Schatten

Wir brauchen den Schatten also dringend, um Selbstverwirklichung zu erreichen. Je größer der persönliche Schatten, desto enger das Bewusstsein. Wirklich zu wachsen und vor allem über uns hinaus gelingt nur durch Schatten-Integration. Das gilt für Individuen wie Gesellschaften und ganze Staaten.

Unbearbeitete Schatten offenbaren sich in Krankheiten

Die Hierarchie der Todesursachen durch Krankheitsbilder enthüllt den Schatten der jeweiligen Gesellschaft. Sie ist in praktisch allen modernen Industriegesellschaften gleich, was deutlich macht, wie sehr wir unsere Schattenthemen teilen, trotz aller kulturellen oder sozialen Unterschiede.

Todesursache Nr. 1: Herz-Kreislauf

An erster Stelle stehen überall Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei der Herzinsuffizienz verrät das zu große physische Herz, dass die (christliche Lebens-)Aufgabe, ein großes weites Herz der Liebe zu entwickeln, in den Schatten beziehungsweise Körper gesunken ist. Wenn das Herz beim Vernichtungsschmerz des Infarktes um Hilfe schreit, wird deutlich, wie lange und konsequent hier jemand die Stimme seines Herzens und sanftere Hilferufe überhört hat. Er hat seine Herzenswünsche und -themen, seine Herzensbedürfnisse und -angelegenheiten, so lange übergangen, bis das physische Herz zum Äußersten getrieben in seiner Not um sein Leben schreit.

Nr. 2: Der Krebs

Bei der zweithäufigsten medizinischen Todesursache, dem Krebs, handelt es sich um ein Wachstumsproblem. Zu lange ist Wachstum im seelischen, sozialen und Bewusstseinsbereich unterblieben, und nun in den Körper gesunken, um das ansonsten gänzlich ungelebte Thema wenigstens dort deutlich zu machen. Beim Bronchialkarzinom, das die meisten Menschenleben unter allen Krebsarten fordert, ist mit der Lunge das Kommunikationsorgan angesprochen. Die (Er-)Lösung dieses Schattens und Generalthemas bei Krebs liegt in mutiger offen(siv)er Selbstverwirklichung auf der Kommunikationsebene.

Die zweithäufigste Krebs-Todesursache betrifft den Dickdarm. Zur Therapie und Vorbeugung dieses Problems wäre es gut, sich ebenfalls mutig und offen(siv) an die eigene Selbstverwirklichung zu machen – nun auf der Ebene der Verdauung des Lebens. Die häufig auftauchende Frage lautet: Besitze ich mein Geld oder bin ich besessen davon?

Bei der häufigsten Krebs-Todesursache bei Frauen, dem Brustkrebs, geht es ebenso darum, mutig und couragiert die eigene Selbstverwirklichung ohne Ausreden im von den Brüsten symbolisierten Feld der Partnerschaft und Mutterschaft zu leben.

Nr. 3: Die Schulmedizin

Die dritthäufigste Todesursache im Medizinbereich verrät den Schatten der Mediziner, denn tatsächlich sterben heute viele Menschen an deren „Kunstfehlern“ und den Nebenwirkungen schulmedizinischer Pharmaka. Dieser verheerende Schatten gehört konfrontiert, verstanden und gewandelt.

Der Irrtum der Schulmedizin

Schulmedizin kann aber leider grundsätzlich keine Vorbeugung, obwohl sie häufig davon und von Prävention und Prophylaxe spricht. Stattdessen betreibt sie immer ausufernder Früherkennung, aber Vorbeugung ist etwas grundsätzlich anderes und findet wesentlich früher statt. Dabei ginge es um eine Wandlung im Leben, die das betreffende Krankheitsbild gar nicht erst ausbrechen, sondern schon im Vorfeld überflüssig machen würde. Aber da sich Schulmediziner in der Regel gar nicht für das Wesen von Krankheit interessieren, können sie auch nicht vermitteln, wie eine freiwillige, rechtzeitige Klärung des entsprechenden Schatten-Themas aussehen könnte. Auch dass ihre nicht sehr populären Maßnahmen der Früherkennung vor allem mit Angstmache und Drohungen durchgesetzt werden, verbessert weder die Volksgesundheit noch das Vertrauen in die Schulmedizin.

Die modernen Süchte

Hildegard von Bingen ging von fünfunddreißig Lastern beziehungsweise Süchten aus und meinte damit Krankheitsbilder. Neunundzwanzig davon kann Fasten – ihrer Ansicht nach – heilen. Habsucht und Eifersucht hielt sie für die beiden schlimmsten Süchte. Erstere bezieht sich auf den Besitzanspruch bezüglich Materie, letztere im Hinblick auf die Seele. Die Sucht nach Materie ruiniert unsere Welt und mündet direkt in die heutige Geld-Welt-Religion. Wer immer mehr besitzen will, neigt dazu, anderen ihren Besitz zu neiden oder gar streitig zu machen. Neben Neid hat Missgunst hier ihre Quelle.

Warum gestehen wir nicht allen Menschen genügend Nahrung zu? Mutter Erde würde für fünfzehn Milliarden genug wachsen lassen. Durch unsere Habsucht schaffen wir es aber, nicht einmal die Hälfte zu ernähren und obendrein nur mit Mord und Totschlag. Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem und damit die Gesellschaft ist von Habsucht geprägt, und gebiert Konkurrenz, Neid und Missgunst. Wir lehren es schon unsere Kinder beim Monopoly Spielen. Wie wäre es, wieder zum Spiel „Mensch-ärgere-dich-nicht“ zurückzukehren, was dagegen geradezu buddhistisch anmutet und Gleichmut lehrt?

Statt es uns in der Gefolgschaft von Vater Staat immer schwerer zu machen, könnten wir uns auch gegenseitig helfen und uns unterstützen. Es fühlt sich sehr viel besser an, anderen unter die Arme zu greifen und beizustehen als ihnen in den Rücken zu fallen oder Prügel zwischen die Beine zu werfen.

Was willst du besitzen?

In der christlichen Kultur haben wir alle Hilfen und Hinweise, ein Leben in Liebe zu leben, statt in Missgunst. Was könnten wir für wundervolle Beziehungen haben, würden wir den Besitzanspruch auf andere Seelen und damit die Eifersucht aufgeben. Bob Dillon sang es so klar und deutlich: „I gave her my heart, but she wanted my soul.“ – Ich gab ihr mein Herz, aber sie wollte meine Seele.Die Seele ist nie zu haben, sie kann bestenfalls mit einem sein.

Die beiden großen Schattenthemen unserer Gesellschaft laufen so auf ein einziges hinaus: Besitz und in der Potenz Besessenheit. Die Lösung könnte so einfach sein, denn jeder kann durchschauen, dass der Körper und mit ihm alle Materie nur für eine gewisse Zeit(-spanne) geliehen ist. Würden wir also das Thema Zeitverstehen, ließen sich schon sehr viele Missverständnisse klären.

Ich glaube, der Faktor „Zeit“ lässt sich nirgendwo besser darstellen, als in Spielfilmen. „Benjamin Button“ zum Beispiel zeigt, was für ein Horror es wäre, jünger statt älter zu werden und der Film „Für immer Adaline“ entlarvt den Alptraum, nicht zu altern. „Die Legende von Bagger Vance“ lehrt uns den Zauber des Augenblicks und „Alles eine Frage der Zeit“ enthüllt die Lösung, jeden Tag sein Optimum zu geben und zu leben.

Die Seele verkörpert sich für eine bestimmte Lebensspanne
und unsere Aufgabe ist es, den Körper zu beseelen.

Wo das nicht gelingt, sondern in den Schatten rutscht, entsteht Krankheit. Wo es gelingt, die Seele über den Körper zu stellen, also der Lehre der Psychosomatik gerecht zu werden, offenbart sich das Wunder des Lebens.

Dr. Ruediger Dahlke

 

Dr. Ruediger Dahlke ist Arzt, Psychotherapeut und Bestsellerautor von mehr als 60 Büchern.
Er schreibt regelmäßig in der Omnia.

www.dahlke.atwww.lebenswandelschule.comwww.tamanga.at

 

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